Steinheim, Ostersonntag,12.04.20;
Reihe II: 1. Korinther 15, 19-28;
„Himmlische Höhenflüge“

Pfarrer Andreas Neumeister

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Liebe Gemeinde,

man wird ja wohl noch lachen dürfen in dieser Zeit!
Deshalb zunächst ein Osterwitz. Das Osterlachen stammt aus einer mittelalterlichen Tradition, als Priester auf den Kanzeln die Osterfreude der Auferstehung mit lustigen Geschichten und Anekdoten würzten: Über den Tod und den Teufel darf gelacht werden, sie sind besiegt und haben keine Macht mehr über die Menschen.

Ein älteres Ehepaar kommt in den Himmel und aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier ist alles hell, leicht und bequem. Hier dürfen sie nach Herzenslust essen, trinken, schlafen und entspannen, eben Paradies! Die Frau ist hellauf begeistert, er raunt ihr zu: „Das hätten wir viel eher haben können ohne dein blödes Fitnessprogramm!“

Doch jetzt zum heutigen Predigttext aus 1. Korinther 15.
1. Korinther 15: das Kapitel der Auferstehung!
1. Korinther 15: Paulus wendet alles auf, was er hat, um die zweifelnden Korinther (die Empfänger seines Briefes in der griechischen Stadt Korinth) von der Realität der Auferstehung zu überzeugen.
Die Auferstehung Christi ist Grundlage jeglicher Predigt, so beginnt dieses zentrale Kapitel (Verse 1-11). Paulus schreibt dann gegen die an, die die Auferstehung der Toten leugnen (Verse 12-19) und stellt klar: Christus ist der Erste der Auferweckten (Verse 20-28). Der Apostel liefert weitere Argumente für die Auferstehung (Verse 29-34) und zeigt, wie die Toten auferstehen (Verse 35-49). Und er endet mit der Aussage, dass menschliches Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können, es braucht eine komplette Verwandlung (Verse 50-58). 1. Korinther 15, ein Fels in der Brandung des Zweifels, ein Fels in der Brandung des Todes! Lesen Sie doch mal dieses Kapitel ganz, es lohnt sich. Wir hören an diesem Ostersonntag die Verse 19-28 (in wörtlicher Übersetzung):

19 Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus hoffen, sind wir bemitleidenswerter als alle Menschen. 20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling der Entschlafenen. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, so werden sie auch in Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Ein jeder aber in seiner Gruppe: als Erstling Christus; darauf die, die Christus bei seiner Ankunft angehören; 24 dann der Abschluss, wenn er das Reich Gott und Vater, übergibt, nachdem er jede (Engel-)macht und jeden Gewalthaber (des Geisterreichs) und Kraftgeist (überirdisches Wesen) vernichtet hat. 25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm „alle Feinde unter seine Füße legt“ (Zitat Psalm 110,1). 26 Als letzter Feind wird der Tod vernichtet. 27 Denn „alles hat er unter seine Füße unterworfen“ (Zitat Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles ist ihm unterworfen worden, so ist offenkundig, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn aber alles ihm unterworfen ist, dann wird auch der Sohn sich unterordnen dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Liebe Gemeinde, diese Worte reißen uns mit in die himmlische Welt. Paulus nimmt uns mit in einen atemberaubenden Aufstieg durch Zeit und Raum. Wir erhalten Einblick in die fernste Zukunft. Wir erhalten Einblick in die innerste göttliche Sphäre, in die göttlichen Geheimnisse am Ende der Zeiten. Atemberaubend ist das. Gut nur, dass sich Paulus bei seiner spektakulären Vision unter Kontrolle hat. Er flippt nicht aus. Er bringt nie zuvor Gehörtes, nie zuvor Gesehenes ganz nüchtern zu Pergament. Er beschreibt diesen Höhenflug so sachlich, so beherrscht, als ob es sich um ein Schreiben des Finanzamts handelt. Klarer Aufbau, klare Struktur.

Paulus beginnt ganz unten. Er beginnt bei uns hier und jetzt. Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus hoffen, sind wir bemitleidenswerter als alle Menschen. Liebe Gemeinde, was nützt uns der Glaube, was nützt uns Christus, wenn er nicht über das irdische Leben und den Tod hinausreicht? Was hilft uns das fromme Bekenntnis zu Jesus, wenn Jesus allein fürs Diesseits zuständig ist? Dann wäre er ein netter Helfer zur Lebensbewältigung, mehr aber nicht. Und wir wären die netten Naivlinge von der Kirche, die, wenn‘s ans Sterben geht, blöd aus der Wäsche oder dem Totenhemd gucken! Christus allein fürs Diesseits, so Paulus, wäre kraft- und saftlos. Der Tod, das Coronavirus, hätte das letzte Wort. Und wir wären die Gelackmeierten und müssten verlegen dem Satz zustimmen, der täglich millionenfach erklingt: Es ist noch keiner zurückgekommen.

Nun aber IST Christus auferstanden von den Toten als Erstling der Entschlafenen. Jetzt, liebe Gemeinde, startet der Höhenflug des Paulus. Es ist also doch einer zurückgekommen vom Tod, nur einer bisher, ja, aber damit ist der entscheidende Anfang gemacht. Jesus ist der Erste, der von den Toten auferstanden ist! Die Auferstehung hat bereits begonnen, und das zählt!

Liebe Gemeinde, das ist Ostern: Wir feiern Jesus und seine Auferstehung. Wir feiern das Leben, das neue Leben, vor dem der Tod in die Knie geht. Paulus bringt einen Vergleich, bei dem wir ganz schlecht abschneiden, bei dem Jesus aber klar als Gewinner hervorgeht. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.
Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, so werden sie auch in Christus alle lebendig gemacht werden.
Mit Adam, dem Ur-Menschen, dem typischen Menschen sozusagen, damals im Paradies, mit seinem Versagen, mit seiner Sünde kam das Elend, kam der Tod in die Welt. An Adam hängen wir alle dran, bis heute, sein Todes-Schicksal ist unser Todes-Schicksal, weil wir selbst Adam sind. Doch dann kam ein neuer Mensch, dann kam der Gott-Mensch, kam Christus. Mit ihm kam die Wende, die Lebenswende, die Weltenwende. Mit Christus kam das Leben durch den Tod hindurch, das neue Leben. Ostern: Lebenswende, Ostern: dein und mein Leben wird neu werden, nach Sarg, Friedhof und Asche. Es geht nicht zugrunde, denn da ist Christus, der lebendige Lebensspender.

Und jetzt gewinnt der Höhenflug des Paulus an Fahrt. Wie wird das sein mit der Totenauferstehung? Klare Ordnung, klare zeitliche Reihenfolge! Nummer 1: Zuerst Christus. Seine Auferstehung ist bereits erfolgt, damals, drei Tage nach Golgatha! Nummer 2: dann die verstorbenen Christen, wenn Christus wiederkommt. Wir werden bekleidet mit einem neuen, wunderbaren, fehlerlosen, sündlosen Leib. Wir werden vollkommen sein, so wie Gott uns von jeher gedacht hat. Und wir werden Jesus sehen, an den wir geglaubt haben. Und wir werden unendlich glücklich sein. Und auch Jesus wird unendlich glücklich sein, wenn er uns sieht, für die er damals in den Tod ging. Zuletzt Nummer 3: der Abschluss bei der Entscheidungsschlacht gegen alle irdischen und überirdischen gottfeindlichen und lebensfeindlichen Mächte. Dann wird Christus dem letzten Todfeind des Lebens, dem Tod, den Todesstoß versetzen. Der Endsieg Christi. Er, der Sieger über Hölle, Tod und Teufel, wird triumphieren. Alle Knie werden sich ihm beugen. Der Tod wird nicht mehr sein. Unfassbar dies, unvorstellbar! Doch es geht noch weiter:

Wir blicken ins Innere der göttlichen Majestät. Denn nun ereignet sich etwas, was jegliche Vorstellung vollends sprengt: Jesus übergibt seine Herrschaft dem Vater. Er gibt das Zepter zurück, ordnet sich Gott ein, ordnet sich Gott unter. Und dann, ganz am Ende, Gott alles in allem! Liebe Gemeinde, hier ist kein kritisches Fragen oder Diskutieren angebracht. Das Fass mit der Aufschrift „Allversöhnung?“ machen wir nicht auf! Unser kleiner Verstand muss kapitulieren. Umso mehr lasst uns dankbar sein, dass wir mit Paulus bei diesem Höhenflug einen Blick in die innerste göttliche Sphäre tun durften. Lasst uns staunen und anbeten und feiern! Damit Gott sei alles in allem. Das steht ganz am Schluss. Mehr geht nicht.

Mit den Eindrücken dieses himmlischen Höhenflugs kehren wir zurück in unsere traurige Gegenwart. Ostern 2020, ein Ostern, wie wir es noch nie erlebt haben:
Gottesdienste sind wegen Corona nicht erlaubt. Shutdown – beklemmender Stillstand. Angst besetzt unsere Seelen. Das Virus zwingt uns sein Lied vom Tod auf. Doch das Lied Gottes, das Lied vom Leben, lässt sich nicht unterdrücken. Das Lied Gottes wird einst alle Todeslieder zum Verstummen bringen. Mit diesem Einblick in die Vollendung lasst es uns schon jetzt singen, das Lied vom Leben. Vielleicht zögernd, vielleicht mit gebrochener Stimme, vielleicht unter Tränen. Aber wir singen es – schon jetzt, jetzt erst recht!

Einer ist zurückgekommen. Der eine, das ist Jesus. Seine Auferstehung lasst uns feiern. Wir rufen den Zweifelnden, den Mutlosen, den vom Tode Besetzten, den Kranken, den Verängstigten zu: Jesus lebt! Es gibt Hoffnung, es gibt ewiges Leben, auch für dich. Komm, komm zum Auferstandenen, komm jetzt! Häng dich an ihn! Und dann singe: Jesus lebt, mit ihm auch ich! Frohe Ostern, Amen!

Psalm 118, Evangelisches Gesangbuch Nr. 747
Schriftlesung: Matthäus 28, 1-10
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 107, 1-3 (Wir danken dir, Herr Jesu Christ)
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 115, 1-6 (Jesus lebt, mit ihm auch ich)
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 116, 1-5 (Er ist erstanden, Halleluja)