In Zeiten wie diesen – dennoch!

Steinheim, 29.03.20,
Sonntag Judika (5. Sonntag in der Passionszeit)
Reihe II: Hebräer 13,5.6.8.12-14

Pfarrerin Eva-Maria Neumeister

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Liebe Gemeinde,

in Zeiten wie diesen, in denen Kirchen, Gemeindehäuser und Pfarrbüros nicht mehr geöffnet sein dürfen, Schulen, Kitas und Geschäfte geschlossen sind, in denen die Normalität zu einem kostbaren Geschenk und Hauptsächliches auf einmal zur Nebensache wird - in Zeiten wie diesen, in denen wir alle mit der Corona-Sondersituation versuchen klarzukommen, ohne in Egoismus, Angst und Panik zu verfallen, ausgerechnet in Zeiten wie diesen, haben wir heute diesen Predigttext aus Hebräer 13,5.6.8.12-14:
5: Seid nicht geldgierig, und lasst euch genügen an dem, was da ist. Denn er (Gott) hat gesagt: “Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen“ (Josua 1,5)
6: So können wir getrost sagen: „Der Herr ist mein Helfer, ich werde mich nicht fürchten; was kann mir ein Mensch tun?“ (Psalm 118,6)
8: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
12: Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
13: So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.
14: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Gemeinde,

müde und verunsichert waren sie geworden, die Christen, an die diese Worte gerichtet sind. In eine tiefe Glaubenskrise waren sie gestürzt, zu erschöpft und ernüchtert, um das Christsein noch als Gewinn zu erleben.
Eine zunehmende Entfernung zu Christus machte sich breit, den Gemeindeversammlungen blieb man fern und Zweifel an der Gültigkeit der Verheißungen Gottes wurden lauter. Anfeindungen taten ihr Übriges.
Dem Autor des Hebräerbriefes war es daher ein großes Anliegen, diese Christen zu ermahnen, am Glauben festzuhalten, dranzubleiben. Doch auch stärkende und tröstende Worte sollten sie begleiten, wie beispielsweise jene: Denn Gott hat gesagt: “Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen“ (Vers 5)
Oder: So können wir getrost sagen: „Der Herr ist mein Helfer, ich werde mich nicht fürchten; was kann mir ein Mensch tun?“ (Vers 6) Und was dann noch kommt, liebe Gemeinde, ist wohl eine der kürzesten Passionsgeschichten schlechthin:
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. (Vers 12)
In diesem einen Satz ist die ganze Leidensgeschichte Jesu zusammengefasst. Ein einziger Satz! Mehr braucht es nicht.


Draußen vor dem Tor starb Jesus am Kreuz – für dich und mich.
Draußen vor dem Tor vergoss Jesus sein Blut – für dich und mich.
Draußen vor dem Tor hängt Jesus wie ein Verbrecher – für dich und mich.
Draußen vor dem Tor hat sich der Schuldlose geopfert – für dich und mich.
Draußen vor dem Tor hat Jesus diese Versöhnungstat vollbracht – für dich und mich.
Draußen. Einsamer geht es nicht.
Gott-verlassen, voller Schmach starb Jesus, um das Volk – dich und mich - zu heiligen, also von Schuld und Sünde freizusprechen, damit wir etwas ganz Besonderes, eben seine Kinder, sein können.
Aus Liebe tat er es. Ohne Wenn und Aber.
Und deshalb: Lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager (draußen vor das Tor) und seine Schmach tragen!
Lasst uns hinausgehen an die Hecken und Zäune, zu den Jungen und Alten, den Großen und Kleinen!
Erzählt allen von der wunderbaren Heilstat Jesu – auch gegen Widerstände und Anfeindungen! Ja: Lasst uns hinausgehen!
Was aber, wenn das nicht geht?
Wenn man nicht hinausgehen kann, gerade in Zeiten wie diesen?
Wenn die sozialen Kontakte eingeschränkt sind, die Bewegungsfreiheit reduziert ist?


Dann können wir trotzdem hinausgehen, zur Besinnung kommen und uns Zeit nehmen:
Zeit, um mit den Menschen telefonisch oder schriftlich in Verbindung zu treten, mit denen wir schon längst einmal Kontakt aufnehmen wollten. Um sie zu fragen, wie es ihnen denn so geht, um ihnen Mut zu machen, ihnen einfach zeigen: Du bist nicht allein!
Oder: Wir können uns auf das Wichtige konzentrieren, können innehalten, Atem holen, können Kraft in der Krise schöpfen– trotz allem.
Und wir können die Zeit, die wir nun haben, als Geschenk sehen: Endlich einmal die Bücher lesen (!), die wir schon lange einmal lesen wollten. Endlich einmal aufräumen, wegräumen, angehäuften Ballast loswerden.
Zuletzt dürfen wir auch dankbar sein. Dankbar für das, was wir haben; können uns an dem genügen, was da ist (Vers 5) und uns freuen – wie auf den Frühling – auf das Neue, das kommt, auf jeden Fall kommen wird. Nach Corona.
Vor allem, liebe Gemeinde, können wir trotzdem hinausgehen und zur Besinnung kommen, indem wir uns, gerade in Zeiten
wie diesen, Zeit nehmen für Gott, um Kraft zu tanken: Im Gebet
oder Bibellesen. Ganz bewusst.
In der wunderbaren Fülle des kostbaren Wortes Gottes können wir nach Bibelversen suchen, die einfach guttun und diese
meinem Nächsten weitergeben, wo immer er oder sie gerade ist.
Bibelverse wie zum Beispiel diesen: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Vers 8)
Jesus Christus, der war, ist und sein wird. Verlässlich, stark, helfend – zu jeder Zeit.
Jesus Christus, der mich behütet, führt und leitet.
Und deshalb: Lasst uns hinausgehen! Denn hinausgehen heißt Aufbruch, unterwegs sein, mit Gottes Hilfe. ER geht mit, begleitet uns auf unserem Lebensweg, denn ihm können wir wirklich vertrauen, so wie es in Josua 1 oder Psalm 118 steht. (Vers 5 + 6)
Und dann haben wir ja noch diese Hoffnung: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Vers 14)
Bei allem Irdischen liegt unser Ziel nicht in dieser, doch so anfälligen Welt. Unser Ziel ist Gottes Stadt, sein ewiges Reich, in welchem es einst keine Tränen, kein Tod, kein Leid noch Angst geben wird, denn das Alte ist dann vergangen, weil Gott alles neu macht! (Offenbarung 21,3-8)
Das kann uns tragen, liebe Gemeinde, stärken und aufrichten, gerade in Zeiten wie diesen.
Bei alledem gehen hier meine Gedanken nun auch zu den Ärzten und Pflegekräften in den Krankenhäusern und Praxen, den Seniorenheimen, der häuslichen Pflege, den Sozialstationen, den Hospizen …. Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit! Bitte bleiben Sie gesund!
Auch Sie, liebe Polizisten, Apotheker, Verkäuferinnen und Verkäufer an den Kassen der Lebensmittelläden und Supermärkte!
Ich denke an diejenigen, die jetzt isoliert und einsam in ihren Wohnungen oder den Altenheimen leben, ohne Besuche empfangen zu dürfen: Ihnen von Herzen viel Kraft und gute, Mut machende Gespräche per Telefon oder die Freude beim Suchen und Finden persönlich wertvoller Bibelverse.
Mein Blick geht zu denen, deren Arbeitsplatz in Gefahr ist, zur Gastronomie, den kleinen Firmen, dem Einzelhandel und zu allen, die nun auch finanziell und wirtschaftlich existentiell betroffen sind. Auch an sie möchte ich denken.
Vor allem: Passen Sie alle bitte auf sich auf! Ganz besonders auf Ihren Nächsten, ihre Nächste. Halten Sie Abstand. Jede und jeder wird es verstehen und dankbar darüber sein. Denn nur so kann dieser unsichtbar-gefährliche Winzling namens Covid-19 (Corona) aufgehalten werden! So paradox es klingt.
Und so wünsche ich allen von Herzen besonders in Zeiten wie diesen dennoch - oder gerade deswegen - eine gesegnete und von Gott begleitete Passionszeit, denn:
Wir sind nicht allein! Amen.

Psalm 121 (Gesangbuch (EG), Nr. 749)
Lieder: Befiehl du deine Wege (EG, Nr. 361)
Nun aufwärts froh den Blick gewandt (EG, Nr. 394)
Dazu Meditationen von Dietrich Bonhoeffer (EG, Seite 709)
und Hannelore Frank (EG, Seite 713)

2 Kommentare

  1. Helmut Bentz sagt:

    Einfach Danke! Einfach weitermachen? Herzlichen Gruß mit Röm.14,8
    Helmut Bentz

  2. Hanna Dumberger sagt:

    Liebe Frau Neumeister,
    ich hörte Ihre Stimme, die Wörter wurden zu Tönen in meinen Ohren! Man spürt die herzliche Verbundenheit in jedem Satz, das tut gut! Danke dafür! Für den Apell zum Durchhalten, Besinnung und Mitgefühl! Für mich ist die Predigt sehr gelungen, danke dafür und die Verbundenheit, Ihre Hanna Dumberger