Liebe Gemeinde,
der lateinische Name für diesen 2. Sonntag nach dem Osterfest lautet: „Miserikordias Domini“. Das heißt übersetzt: „Die Barmherzigkeit des Herrn“.
Die Barmherzigkeit Gottes steht heute im Mittelpunkt. Das Bild vom Guten Hirten prägt diesen Sonntag.
Wir hören heute auf einen Abschnitt des 1. Petrusbriefes aus dem Neuen Testament.
Dieser Brief des Apostels Petrus ist kein Schreiben an eine einzelne Gemeinde oder eine Person. Es handelt sich um ein Rundschreiben an eine Vielzahl von Gemeinden in Kleinasien (heutige Türkei; vgl. 1, 1). Die Christen dort lebten in einer Minderheitensituation und wurden von ihrer heidnischen Umwelt hart bedrängt und verfolgt. Petrus macht mit seinem Rundbrief Mut: „Leute, bleibt dran an Jesus und dem Glauben! Das Leiden geht vorbei. Bleibt auf der richtigen Spur; ihr seid nicht allein! Bewährt euch in der Welt, im Leid, in der Verfolgung!“ Trost und Ermahnung – beides bietet Petrus seinen Adressaten. Er geht pädagogisch geschickt vor: Er behandelt bestimmte Themen, wie z. B. das Verhalten in Welt und Staat (2, 11-17). Er spricht aber auch einzelne Personengruppen an: christliche Haussklaven
(2, 18-25), Eheleute (3, 1-7), Älteste und Jüngere (5, 1-5).
Nun der Predigttext 1. Petrus 2, 21-25, in wörtlicher Übersetzung:
21 (Dazu nämlich seid ihr berufen), denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel/Vorbild hinterlassen, damit ihr seinen Fußspuren nachfolgt,
22 der keine Sünde getan hat und in dessen Mund auch keine List gefunden wurde,
23 der geschmäht wurde und nicht zurückschmähte, der es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet,
24 der unsere Sünden selbst an seinem Leib an das Holz (Kreuz) gebracht hat, damit wir, den Sünden gestorben, der Gerechtigkeit leben – durch seine Strieme wurdet ihr geheilt.
25 Denn ihr wart wie umherirrende Schafe, aber nun habt ihr euch zum Hirten und Aufseher über eure Seelen bekehrt.
Liebe Gemeinde, das ist kein leichtes Weißbrot, das ist nahrhaftes Vollkornbrot, das uns Petrus vorsetzt. Da muss man kräftig beißen und kauen.
Zunächst müssen wir den Zusammenhang verstehen. Petrus wendet sich an die zum Glauben gekommenen Haussklaven, die unter ihren heidnischen Herren arbeiten mussten und deren Willkür und Repressalien ausgesetzt waren. (Die Sklaverei war übrigens in der Antike völlig normal und wurde erst im 19. Jahrhundert abgeschafft. Sie spielt aber noch heute in manchen Ländern eine ganz traurige Rolle.) Petrus ermahnt die christlichen Sklaven, sich auch den brutalen Herren unterzuordnen und deren Handeln nicht nur zu ertragen, sondern mit Gutem zu begegnen – eine Anwendung der Bergpredigt, wo Jesus sagt, wir sollen auch die andere Backe hinhalten, unsere Feinde lieben und für sie beten (vgl. Matthäus 6, 38-47). Das Leiden der christlichen Sklaven für Gott, so Petrus, ist Gnade (vgl. Vers 20), und eben darin besteht ihre Berufung! Und hier setzt unser heutiger Abschnitt ein.
Liebe Gemeinde, Petrus wendet sich an eine bestimmte Personengruppe, die Haussklaven. Und doch hat er auch uns heute eine Menge zu sagen. Auch wenn wir in einer ganz anderen Kultur und Zeit leben, seine Worte enthalten den zeitlosen und wunderbaren Trost des Evangeliums. Jesus, der Schuldlose, so Petrus, Jesus, der von keiner Sünde wusste, der nie ein hinterlistiges Wort gesagt hat, der, als er am Kreuz hing, verlästert und verspottet wurde und dies still ertrug – er ging für uns den untersten Weg, er litt für uns. Dadurch setzte er sein einzigartiges Rettungswerk um. Denn mit seinem Leiden hat er alle unsere Sünden mit ans Kreuz genommen. Der unsere Sünden selbst an seinem Leib an das Holz (Kreuz) gebracht hat. Verstehen Sie, Jesus hat alle Schuld der Welt und aller Zeit auf sich gezogen, in sich vereint. Unsere Sünden sind mit ihm gekreuzigt und damit vernichtet – ein für alle Mal! Das ist unsere Rettung. Das ist unser Heil. Was immer uns anklagen will vor Gott, was immer uns anschwärzen will vor dem Richter, es muss verstummen, es hat keine Macht mehr. Wir sind frei, weil Jesus die größte Befreiungsaktion der Geschichte durchgeführt hat, die Vernichtung unserer Sünden – aus Gnade, aus Liebe, aus Barmherzigkeit.
Petrus zitiert mehrmals Teile des sogenannten Gottesknechtslieds aus Jesaja 53 und macht damit klar: Leute, die Rettungstat Gottes war von langer Hand geplant! Sie ist in Jesu Leiden und Tod vollendet. Durch seine Strieme wurdet ihr geheilt. Wir sind geheilt, liebe Gemeinde. Wir waren krank, sündenkrank, todkrank, doch Jesus hat uns gesund gemacht – durch seine Wunden, durch sein Leiden. Was immer uns an körperlichem und seelischem Leid bedroht und zusetzt (und das ist viel – nicht nur Corona!), unsere kaputte Gottesbeziehung ist für immer geheilt. Diese Heilung ist unangreifbar, unzerstörbar und unumkehrbar. Niemand und nichts kann sie uns nehmen. Wir Christen leben nun in einem ganz neuen Dasein. Halleluja!
Liebe Gemeinde, wir kommen von Ostern her. Wir bekennen und bezeugen: Jesus lebt, mit ihm auch wir. Denn ihr wart wie umherirrende Schafe, aber nun habt ihr euch zum Hirten und Aufseher über eure Seelen bekehrt. Jetzt müssen Sie kombinieren. Petrus spricht vom Hirten. (Nicht vergessen: Heute ist Hirtensonntag!) Er meint Jesus. Wäre Jesus im Tod geblieben, wie könnte er dann unser Hirte sein, der uns, die verirrten Schafe, auf die richtige Spur bringt? Wir haben uns doch nicht zu einem Leichnam der Vergangenheit bekehrt, sondern zum lebendigen Christus! Er ist vom Tod auferstanden, um für immer zu herrschen. Unser Herr ist quicklebendig, ist höchst aktiv, er hat den Überblick, ist der Aufseher über unsere Seelen, hat unablässig acht auf uns, damit wir uns nicht wieder verlaufen (zuzutrauen wär‘s uns ja!). Der Leidende und Sterbende am Kreuz ist seit Ostern Sieger und Herr über den Tod. Wenn das mal keine Osterbotschaft ist!
Petrus macht den bedrängten Gemeinden in Kleinasien Mut: „Ihr Lieben, haltet durch, das Leiden geht vorbei! Bleibt dran an Jesus, eurem Hirten, und dem Glauben! Ihr Haussklaven, bleibt auch ihr dran! Stopft euren despotischen Herren mit guten Taten das Maul! Ihr Christen alle, haltet Kurs, bleibt auf der richtigen Spur!“ Auf der richtigen Spur bleiben, darum geht es. Damit ihr seinen Fußspuren nachfolgt, schreibt Petrus. Die richtige Spur gibt es bereits. Wir müssen sie nicht erst mühsam suchen, liebe Gemeinde. Jesus ist unser Weg. Wenn wir seinen Spuren folgen, sind wir auf gutem Weg. Seine Spuren: sein Wort, seine Taten, sein Wille, die Gemeinschaft mit anderen Christen, das Beten, Singen, Loben, Klagen, Zweifeln und – wenn es sein muss, das Leiden um seinetwillen ...
Wir wollen ihn gehen, diesen Weg. Wir wollen dem Guten Hirten vertrauen, nicht nur am heutigen Hirtensonntag, sondern an jedem Sonntag und an jedem Alltag unseres Lebens.
Wir sind geheilt und auf der richtigen Spur – das ist die Botschaft des Petrus, ein Labsal gerade in diesen Zeiten. Wer‘s glaubt, ist selig, wirklich!
Amen.
Psalm 23, Evangelisches Gesangbuch Nr. 711
Schriftlesung: Johannes 10, 11-16
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 274 (Der Herr ist mein getreuer Hirt)
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 640 (Für Christus leben, sterben für ihn)
Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 99 (Christ ist erstanden)